Aufnahme von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen aus Griechenland

47 Kinder sind in Deutschland angekommen

Seit Anfang März liegen Zusagen verschiedener europäischer Staaten über die Aufnahme von geflüchteten unbegleiteten Kindern und Jugendlichen aus griechischen Flüchtlingslagern vor. Einige deutsche Städte unterstützten dieses Vorhaben in einem offenen Brief. Die deutsche Bundesregierung erklärte sich bereit, mit Frankreich, Luxemburg, Portugal, Irland, Finnland, Kroatien, Litauen, Belgien, die Schweiz und Bulgarien gemeinsam 1.621 Aufnahmeplätze für unbegleitete Minderjährige zur Verfügung zu stellen. Insgesamt leben ca. 5.200 unbegleitete Minderjährige in Griechenland.

Aufgrund der Corona-Pandemie verzögerte sich die Aufnahme. Die Zivilgesellschaft wandte sich mit einem offenen Brief am 3. April an die Staaten und forderte eine zeitnahe Erfüllung der Zusagen. Die Lage in den griechischen Flüchtlingslagern, insbesondere auf den ägäischen Inseln war bereits vor der Corona-Pandemie nicht nur für unbegleitete Minderjährige prekär.

In einem ersten Schritt nahmen Luxemburg 12 und Deutschland 47 Kinder und Jugendliche auf. Am 18. April landete ein Flugzeug aus Athen mit 43 Jungen und 4 Mädchen in Hannover. Einige von ihnen sind Geschwister. Manche haben familiäre Bindungen in Deutschland. Die Herkunftsländer der unbegleiteten Minderjährigen sind Afghanistan, Syrien und Eritrea.

Die Vorbereitungen der Ausreise waren durch die Corona-Pandemie erschwert. Nach dem Beschluss des Bundesinnenministeriums, die Aufnahme umzusetzen, arbeiteten das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR), die Internationale Organisation für Migration (IOM), das European Asylum Support Office (EASO) und die griechischen Behörden unter Mitwirkung von Hilfsorganisationen wie Médecins Sans Frontières (MSF – Ärzte ohne Grenzen) zusammen, um die Aufnahme zu realisieren.

Das Aufnahmeverfahren ist komplex wie folgende Auszüge aus den Vorbereitungsschritte zeigen. Diese Informationen basieren auf Pressemeldungen, die sich auf verschiedene Akteure berufen.

  • Identifizierung der in Frage kommenden Minderjährigen für die Umsiedlung
  • Vor-Check für zusätzliche Umsiedlungsgründe (Gesundheit, Missbrauch, Behinderungen)
  • Untersuchung jedes einzelnen Falls nach den Dublin-Regeln
  • Formulierung der Schutzinteressen der Kinder und Jugendlichen
  • Einzelgespräche mit den Kindern und Jugendlichen
  • Bereitstellung von Informationen über Möglichkeit der Umsiedlung in ein bestimmtes Land für den/die Minderjährige
  • Unterstützung der Betroffenen bei der Entscheidungsfindung
  • Ausführliche Dokumentation der individuellen Bedürfnisse und Notwendigkeiten der Betroffenen für eine Umsiedlung
  • Kontrolle und Bewertung der Berichte
  • Abschlussbericht an die griechischen Behörden
  • letzter Check der Berichte
  • Abschlussbericht an den aufnehmenden EU-Mitgliedstaat
  • Transport nach Athen u.a. wegen Covid-19-Tests
  • Versendung der Testergebnisse an Start- und Ankunftsland
  • Abreise

Die rechtliche Grundlage der Aufnahme bildet Artikel 17 der Dublin III-Verordnung. Alle Kinder und Jugendlichen wurden vor ihrer Abreise auf eine mögliche Infektion mit dem COVID-19-Virus negativ getestet. In Deutschland verbringen die 47 Kinder und Jugendlichen die ersten beiden Wochen in Quarantäne. Hierfür erfolgt eine vorläufige Inobhutnahme (gemäß § 42a SGB XIII) im Landkreis Osnabrück. Nach dem 1. Mai 2020 werden die Kinder und Jugendlichen unter Berücksichtigung des Kindeswohls, familiärer Bindungen sowie der im Vorfeld kommunizierten Aufnahmebereitschaft der Bundesländer im Bundesgebiet untergebracht:

18 unbegleitete Minderjährige werden aufgrund bestehender familiärer Bindungen verteilt (Baden-Württemberg: 4, Bayern: 2, Hessen: 6, Nordrhein-Westfalen: 2, Schleswig-Holstein: 2, Sachsen-Anhalt: 2). Von den unbegleiteten Kindern und Jugendlichen ohne familiäre Verbindungen bleiben 13 in Niedersachen, 8 werden in Berlin und 8 in Hamburg untergebracht. (PM BMI, 29.04.2020)

In den Bundesländern bestellen die Jugendgerichte die Vormünder und die aufgenommenen Personen werden in Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen verschiedener Träger betreut. Die Caritas hat hierbei ihre Unterstützung angeboten. In Absprache mit den Vormündern können die Kinder und Jugendlichen einen – aufgrund der Corona-Pandemie schriftlichen – Asylantrag stellen, der dann vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bearbeitet wird.

Insgesamt sollen im Rahmen eines europäischen Vorgehens weitere 350 bis 500 unbegleitete Minderjährige nach Deutschland übernommen werden. Dies sagte der deutsche Botschafter Ernst Reichelt in Griechenland in einer Erklärung, die er am 18.04. am Flughafen in Athen abgab. Einen Zeitrahmen nannte er hierfür nicht.

Mehr erfahren:

Pressemittelung Bundesministerium des Innern für Bau und Heimat vom 29.04.2020

Pressemitteilung Pro Asyl und Landesflüchtlingsräte vom 17.04.2020