Humanitäre Aufnahmeprogramme
Was ist humanitäre Aufnahme?
Humanitäre Aufnahmeprogramme (HAP) können von Staaten in akuten Kriegs- und Krisensituationen eingerichtet werden. Sie sollen eine möglichst schnelle Aufnahme von größeren Gruppen von Flüchtlingen ermöglichen, die meist einer spezifischen Nationalität oder Gruppe angehören. Deutschland hat in den vergangenen Jahren mehrfach humanitäre Aufnahmeprogramme eingesetzt. Zwischen 2013 und 2015 gab es in Deutschland drei humanitäre Aufnahmeprogramme des Bundes für Flüchtlinge aus Syrien, über die 20.000 syrischen Staatsangehörigen eine sichere Einreise nach Deutschland ermöglicht wurde. Seit 2017 werden über das humanitäre Aufnahmeprogramm des Bundes Schutzsuchende mit syrischer Staatsangehörigkeit und in Einzelfällen Staatenlose aus der Türkei über die EU-Türkei-Erklärung aufgenommen. Im Oktober 2020 wurde ein mittlerweile abgeschlossenes humanitäres Aufnahmeprogramm des Bundes für die Aufnahme von 1.553 Personen, die bereits im griechischen Asylverfahren internationalen Schutz erhalten haben, geschaffen.
Foto: UNHCR/Rouven Brunnert
Was sind die Ziele von humanitärer Aufnahme?
Ziel humanitärer Aufnahmeprogramme ist es, Flüchtlingen aus akuten Kriegs- und Krisengebieten eine sichere und legale Einreise in einen zur Aufnahme bereiten Staat zu ermöglichen, der ihnen Schutz gewährt. Humanitäre Aufnahmeprogramme sind kein Ersatz für reguläre Asylverfahren, sondern können diese in akuten Notsituationen ergänzen.
Warum ist humanitäre Aufnahme wichtig?
In Kriegs- und Krisensituationen ermöglichen humanitäre Aufnahmeprogramme eine kurzfristige und relativ zügige Aufnahme größerer Gruppen von Flüchtlingen. Humanitäre Aufnahme trägt damit zum Schutz und zur Wahrung der Rechte von Kriegsflüchtlingen bei. Darüber hinaus entlastet die Aufnahme die häufig überforderten Erstzufluchtsländer und ist somit ein Mechanismus der Teilung internationaler Verantwortung zum Schutz von Flüchtlingen.
Wie läuft ein humanitäres Aufnahmeprogramm ab?
Für humanitäre Aufnahmeprogramme gibt es kein allgemein gültiges Verfahren. In der Regel liegt der humanitären Aufnahme ein beschleunigtes Verfahren zugrunde. Dieses erfolgt nach § 23 Absatz 2 AufenthG. Die humanitären Aufnahmeprogramme des Bundes gehen jeweils zurück auf Aufnahmeanordnungen des BMI, diese legen fest, wie viele Personen aufgenommen und wie diese ausgewählt werden. Beim ersten der drei humanitären Aufnahmeprogramme des Bundes zwischen 2013 und 2015 wurden UNHCR sowie die Caritas Libanon in die Vorauswahl der Personen eingebunden. Beim zweiten und dritten humanitären Aufnahmeprogramm des Bundes in den Jahren 2014 und 2015 konnten auch in Deutschland lebende Syrerinnen und Syrer eine Aufnahme ihrer Verwandten beantragen. Bei der aktuellen humanitären Aufnahme aus der Türkei ist eine eigenständige Bewerbung durch die Schutzsuchenden bzw. ein Vorschlag durch deren Verwandte in Deutschland nicht möglich. Die Vorauswahl wird von der türkischen Migrationsbehörde (DGMM) getroffen. Personenvorschläge werden dann von DGMM an den UNHCR weitergeleitet. Das BAMF prüft wiederum die Dossiers des UNHCR und entscheidet abschließend über die Aufnahme.
Was sind die Kriterien für die Einreise über ein Humanitäres Aufnahmeprogramm?
Für humanitäre Aufnahmeprogramme gibt es keine allgemein gültigen Kriterien in Deutschland. Wird eine Humanitäre Aufnahme beschlossen, so wird in Erlässen oder Aufnahmeanordnungen jeweils festgelegt, welche Personengruppen hierfür in Betracht kommen und wie viele Menschen aufgenommen werden. Bei den drei vergangenen Humanitären Aufnahmeprogrammen des Bundes zwischen 2013 und 2015 wurden z.B. Syrerinnen und Syrer sowie im Einzelfall auch staatenlose Personen aufgenommen. Bei der Auswahl wurden vorrangig Personen berücksichtigt, deren Verwandte in Deutschland sich bereit erklärten, für den Lebensunterhalt der Einreisenden aufzukommen oder eine Unterstützung hierzu beizutragen. Darüber hinaus galten folgende Aufnahmekriterien, von denen die Personen mindestens eine erfüllen mussten:
- Bezüge zu Deutschland (familiäre Bindungen, Voraufenthalte etc.)
- Humanitäre Kriterien (schutzbedürftige Kinder mit Eltern, medizinischer Bedarf, Frauen in prekärer Situation etc.)
- Fähigkeit, nach Konfliktende einen Beitrag zum Wiederaufbau zu leisten
Bei dem aktuellen Aufnahmeprogramm aus der Türkei werden die humanitären Kriterien des UNHCR sowie nationalspezifische Kriterien wie familiäre Bindungen sowie die Integrationsfähigkeit berücksichtigt.
Was sind die rechtlichen Grundlagen für Humanitäre Aufnahme durch den Bund?
Laut § 23 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes kann das Bundesministerium des Innern „zur Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland“ anordnen, dass bestimmten Ausländern eine Aufnahme zugesagt wird. Der Paragraf wird in Rücksprache mit den Bundesländern angewandt. Die konkrete Umsetzung eines Aufnahmeprogrammes durch den Bund ist rechtlich kaum vorstrukturiert, sondern wird durch die jeweiligen Aufnahmeanordnungen bzw. spezielle Erlässe festgelegt. Im Hinblick auf die Aufenthaltsdauer, den Zugang zu Integrationsmaßnahmen oder die Verpflichtung der Angehörigen für den Lebensunterhalt einreisender Personen aufzukommen, können die Aufnahmeprogramme unterschiedlich gestaltet werden. Personen, die in den vergangenen Jahren über die humanitären Bundesaufnahmeprogramme eingereist sind, stehen folgende Leistungen zu:
Aufenthalt: Einreisende Personen erhalten eine Aufenthaltserlaubnis für zwei oder drei Jahre, die anschließend verlängert werden kann. Dies hängt davon ab, mit welchem Programm die Person eingereist ist. Personen, die im Rahmen der Aufnahmeanordnungen vom 30.05.2013, 23.12.2013 oder 18.07.2014 eingereist sind, haben eine Aufenthaltserlaubnis für zwei Jahre erhalten. Den Personen, die im Rahmen der Aufnahmeanordnungen vom 11.01.2017, 29.12.2017, 21.12.2018, 13.01.2020, 09.10.2020 und 15.01.2021 einreisten, wird zunächst eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt.
Nach fünf Jahren haben die Personen Anspruch auf eine Niederlassungserlaubnis, wenn die Bedingungen hierfür erfüllt sind (vgl. § 26 Abs. 4 AufenthG). Hierzu gehören unter anderem die eigene Sicherung des Lebensunterhaltes und ausreichende Sprach- und Gesellschaftskenntnisse.
Sozialleistungen: Die Personen erhalten Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), (d.h. Arbeitslosengeld II) oder dem SGB XII (Sozialhilfe). Dies gilt nicht, sofern die Verwandten der einreisenden Person eine Verpflichtungserklärung unterzeichnet haben und hierdurch für den Lebensunterhalt der schutzsuchenden Person aufkommen müssen. Ausgenommen sind hierbei die Kosten für medizinische Versorgung.
Arbeit: Der Aufenthaltstitel nach § 23 Absatz 2 des AufenthG berechtigt sofort nach Ausstellung der Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Tätigkeit.
Wohnsitz: Einreisende Personen sind in ihrer Wohnortwahl durch eine Wohnsitzauflage beschränkt. Diese kann sich laut Aufnahmeerlass auf ein gesamtes Bundesland oder auf einen bestimmten Landkreis beziehen. Personen, die über eine Verpflichtungserklärung eingereist sind, erhalten eine Wohnsitzauflage für den Landkreis ihrer Verwandten. Die Wohnsitzauflagen können aufgehoben werden, wenn einer Beschäftigung nachgegangen wird und keine Sozialleistungen mehr bezogen werden.
Familie: Personen die über die Humanitären Aufnahmeprogramme des Bundes eingereist sind, profitieren nicht von einem erleichterten Familiennachzug gem. § 29 Abs. 2 AufenthG. Ein Familiennachzug ist im Aufnahmeerlass nicht vorgesehen, da davon ausgegangen wird, dass die Kernfamilie zusammen einreist. Der Nachzug der Familie ist nur gem. § 29 Abs. 3 AufenthG, d.h. „nur aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland“, möglich. Zusätzlich muss auch der Lebensunterhalt der Familienmitglieder im Inland gesichert sein.
Integration: Die einreisenden Personen haben Anspruch auf die Teilnahme an einem Integrationskurs vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (vgl. § 44 Absatz 1 AufenthG). Dieser umfasst 600 bis 900 Stunden und schließt im besten Fall mit einem B1-Zertifikat ab.
Mehr erfahren:
Informationsflyer (deutsch/arabisch) und (deutsch/somali) zu Leistungen für Schutzberechtigte, die über humanitäre Aufnahmeprogramme des Bundes (HAP) eingereist sind