Kurzanalyse des BAMF: Welche Grundprinzipien liegen Resettlement zugrunde?

Das Forschungszentrum Migration, Integration und Asyl des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) geht in einer Kurzanalyse der Frage nach, welchen Grundsätzen die Ausgestaltung des deutschen Resettlementprogramms folgt. Um sachlich und konstruktiv über die Weiterentwicklung des Programms zu diskutieren, ist eine Analyse der bisherigen Umsetzung wichtig.
Dabei wurden administrative Daten des Resettlementprogramms ab 2012 quantitativ ausgewertet und subjektive Wahrnehmungen des Aufnahme- und Integrationsprozesses analysiert. Grundlage hierfür sind qualitative Leitfadeninterviews mit 112 Resettlementflüchtlinge, die in den Jahren 2012 und 2014 in Deutschland aufgenommen wurden.

Neben der Diskussion über die Auswahl der aufzunehmenden Flüchtlinge entsprechend verschiedener Kriterien nennen die Autorinnen die Gefahr, dass Flüchtlingen der individuelle Zugang zu einem fairen Asylverfahren verwehrt bleibe. (S.2) In Stellungnahmen aus den Jahren 2012 und 2017 positioniert sich der Deutsche Caritasverband in diesem Kontext für die Ausweitung der Resettlementprogramme, wodurch das individuelle Recht auf Asyl jedoch nicht eingeschränkt werden darf.

Die Analyse erläutert darüber hinaus die Zusammensetzung der 10.200 Aufnahmeplätze, die im Rahmen des europäischen Resettlementprogramms der Europäischen Kommission zugesagt wurden.
9.200 Plätze werden im Rahmen von Bundesprogrammen (Resettlement und humanitäre Aufnahmeprogramme) bereitgestellt. Zusätzlich werden jeweils 500 Flüchtlinge im Rahmen eines Pilotprojektes für ein privates Sponsorenprogramm des Bundes und über ein angekündigtes Kontingent von 500 Personen des Bundeslandes Schleswig-Holstein aufgenommen (S.11).
Hierbei ist anzumerken, dass es sich bei den 9.200 Personen zum überwiegenden Teil nicht um Resettlement-Aufnahmen handeln wird. Wie in diesem Artikel aufgeschlüsselt, ist davon auszugehen, dass ein Großteil der einreisenden Personen im Rahmen der EU-Türkei-Erklärung aufgenommen wird und somit einen Aufenthaltstitel nach §23 Abs. 2 AufenthG (humanitäres Aufnahmeprogramm) erhält. Die deutsche Resettlementquote nach §23 Abs. 4 AufenthG wird sich möglicherweise nur minimal erhöhen.

Für die Aufnahme über Resettlement wird die Flüchtlingseigenschaft durch UNHCR anhand von festgelegten Kriterien überprüft. Zusätzlich zu diesen Kriterien können die Staaten nationale Aufnahmekriterien festlegen. In Deutschland sind dies z.B. familiäre oder sonstige integrationsförderliche Bindungen nach Deutschland sowie Indikatoren der Integrationsfähigkeit. Hierzu werden der Grad der Schul- und Berufsausbildung, Berufserfahrung, Sprachkenntnisse, Religionszugehörigkeit und geringes Alter gezählt.
Die Autorinnen führen aus, dass Resettlement je nach Bewertung als ein erwünschtes oder ein problematisches Instrument zur gesteuerten Kontingentaufnahme von Flüchtlingen gesehen werden könne. Es werde dabei immer wieder unterstellt, dass die Auswahl der aufzunehmenden Flüchtlinge unter enger Berücksichtigung nationaler migrations- und integrationspolitischer Interessen erfolge. Diese nationalen Kriterien könnten im Widerspruch zum humanitären Schutzgedanken stehen (S. 2f.).
Im Rahmen der Kurzanalyse wurden die von UNHCR definierten drei Grundprinzipien des Resettlements genauer betrachtet und auf den Kontext der deutschen Aufnahme angewendet:

1. Schutz für Flüchtlinge, die in den Erstzufluchtsstaaten gefährdet sind (S. 3-6)

Resettlement wird als ein Instrument definiert, das vorranging besonders schutzbedürftigen Personen eine Perspektive bieten soll. Um eine solche Schutzbedürftigkeit festzustellen, hat der UNHCR diverse Kriterien entwickelt: Personen mit besonderen rechtlichen und physischen Schutzbedürfnissen, Personen mit besonderem medizinischem Behandlungsbedarf, Opfer von Gewalt und Folter, Frauen mit besonderer Risikoexposition, Flüchtlingskinder, heranwachsende und ältere Flüchtlinge.
Von den in Deutschland aufgenommenen Flüchtlingen erfüllt die Mehrheit mindestens eines der Kriterien. Die Autorinnen zeigen anschließend auf, inwiefern die einzelnen Kriterien im deutschen Programm Anwendung finden und beziehen sich dabei im Wesentlichen auf die Aufnahmen aus dem Jahr 2014.
Beispielsweise wird ersichtlich, dass Frauen insgesamt mit durchschnittlich 47% der Aufgenommenen einen großen Anteil bilden. Der Anteil von Frauen unter den Asylsuchenden hingegen liegt bei durchschnittlich 35%. Auch der Anteil der über 51-jährigen Flüchtlinge ist bei Aufnahmen im Rahmen von Resettlement mit 11% deutlich höher als bei Asylsuchenden mit unter 5%.
Demnach ermögliche Resettlement einen besseren Schutz für besonders vulnerable Gruppen.

2. Eine dauerhafte Lösung für Flüchtlinge in prekären Lebenslagen (S. 7-9)

Die Aufnahme über Resettlement soll Flüchtlingen, die weder in ihre Herkunftsregion zurückkehren können noch eine Perspektive im Erstzufluchtsstaat haben und sich somit in prekären Lebenslagen befinden, eine dauerhafte und nachhaltige Lösung bieten.
Es wird angenommen, dass vor allem sozial benachteiligte Gruppen eine Flucht nach Europa nicht antreten. Eine Selektivität der Fluchtbewegung zeigt sich auch in Bezug auf das Geschlecht und das Alter von Geflüchteten.
Häufig stellt Resettlement für Geflüchtete in diesen prekären Lagen, in denen sie aus eigener Kraft die Lebenssituation nicht verbessern können, die einzige nachhaltige Lösung dar.
Für eine dauerhafte und nachhaltige Lösung spielt auch die Berücksichtigung von Familienbindungen eine große Rolle. Von den Geflüchteten selbst wird dies positiv bewertet, da Sorgen um das Wohlergehen von Familienangehörigen vermieden werden und sich die Verwandten gegenseitig Halt und Unterstützung geben können.
Die Aufnahmeanordnungen des BMI sehen die Wahrung der Einheit der Familie und wenn möglich eine gemeinsame Aufnahme von Familienverbänden vor und Flüchtlinge, die über Resettlement einreisen, können ihre Kernfamilie über den erleichterten Familiennachzug nach Deutschland holen.

3. Internationale Solidarität und Entlastung von Erstzufluchtstaaten (S. 9-10)

Für Staaten, die als erste und in einem besonderen Maße von Fluchtbewegungen betroffen sind, soll Resettlement eine Solidaritätsbekundung sein. Deutschland hat bis Ende 2017 Geflüchtete aus sieben der 63 von UNHCR identifizierten Erstzufluchtstaaten für das Jahr 2018 aufgenommen.
Im Rahmen der Aufnahmen aus Ägypten in den Jahren 2014 bis 2017 war Deutschland neben den USA, Kanada und Großbritannien der viertwichtigste Aufnahmestaat.

Fazit

Abschließend gehen die Autorinnen auf die Frage ein, was das Resettlementprogramm leistet und wie es sich weiterentwickeln soll.
Die Autorinnen kommen in ihrer Analyse zu dem Schluss, dass die aktuelle Umsetzung des Resettlementprogramms in Deutschland die Grundprinzipien des UNHCR konsequent einhält und die nationalen Kriterien diese nicht in Fragen stellen.
Sie betonen, dass bei einer künftigen Erhöhung des Aufnahmekontingents diese Prinzipien weiterhin berücksichtigt werden sollten. Um flexibel auf die Lage in Erstzufluchtstaaten reagieren zu können, können aber Schwerpunkte gesetzt werden.
Eine geregelte Aufnahme bietet zudem besseren Schutz für besonders vulnerable Gruppen und Flüchtlinge in Notlagen.
Weiterhin heben die Autorinnen hervor, dass für die Diskussion und Weiterentwicklung des Programms stets die Perspektive der Geflüchteten beachtet werden soll.
Ein Fokus sollte außerdem auf der Integration der Geflüchteten liegen. Weniger als 1% der Flüchtlinge, die einen Aufenthaltstitel nach §23 Abs. 4 AufenthG erhalten haben, haben bis Ende 2017 Deutschland wieder verlassen. Eine nachhaltige Integration ist daher auch bei Resettlement als Instrument, welches eine dauerhafte Lösung bieten soll, sehr wichtig. Dennoch ist die Aufnahme über Resettlement oft unbekannt, weshalb insbesondere kommunale und lokale Integrationsakteure und Ausländerbehörden mehr Informationen über das Programm erhalten sollten (S. 11f.).
Das Projekt resettlement.de greift unter anderem diesen Aspekt auf. Im Rahmen von Fortbildungen und der jährlichen Fachtagung konnten diversen Zielgruppen Informationen zu legalen Zugangswegen vermittelt werden. Über einen Newsletter und die Webseite werden zudem aktuelle Entwicklungen im Bereich Resettlement und humanitäre Aufnahme geteilt. Bei Interesse können die Projektreferentinnen auch für Vorträge angefragt werden. Die Kontaktdaten finden Sie hier.

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