Libyen und Niger

Libyen ist ein nordafrikanischer Staat mit ca. 6,8 Millionen Einwohner_innen. Die Hauptstadt des Landes ist Tripolis. Libyen grenzt an Tunesien, Algerien, Niger, Tschad, den Sudan und Ägypten. Die Amtssprache Libyens ist Arabisch. Der Islam ist Staatsreligion.

Das Land erlangte im Jahr 1951 als Königreich Libyen seine Unabhängigkeit. Nach einem Militärputsch im Jahr 1967 kam Muammar al-Gaddafi an die Macht, der das Land bis zu seinem Sturz im Jahr 2011 diktatorisch führte. Nach dem Bürgerkrieg im Jahr 2011, dem Mord an Gaddafi und dem darauf entstehenden Machtvakuum brach 2014 ein weiterer Bürgerkrieg aus, der bis heute anhält. Anfang Juni 2020 zählten die Vereinten Nationen ca. 430.000 Binnenvertriebene in Libyen. Weiterhin wird geschätzt, dass ca. 893.000 Personen in Libyen humanitäre Unterstützung benötigen.

Die Situation von Migrant_innen und Flüchtlingen in Libyen:

Libyen gilt als Haupttransitland für Migrant_innen, die von Nordafrika über den Seeweg nach Europa gelangen wollen. Aktuell (Stand 5. August 2020) sind 46.823 Flüchtlinge und Asylbewerber_innen bei UNHCR in Libyen registriert. Die meisten davon stammen aus Syrien, dem Sudan und Eritrea. Nach Schätzungen leben aber weitaus mehr, nämlich zwischen 700.000 und 1 Millionen Migrant_innen in dem nordafrikanischen Land.

Libyen verfügt über kein internationales Schutzsystem und hat auch die Genfer Flüchtlingskonvention nicht unterzeichnet. Es ist Aufgabe des UNHCR Schutzsuchenden in Libyen Schutz zu gewähren. Das libysche Recht sieht bei irregulären Ein- und Ausreisen Gefängnisstrafen und Abschiebungen vor. Viele der Personen, die bei der Überquerung des Mittelmeers von der libyschen Küstenwache abgefangen und zurückgebracht werden, werden in staatliche Internierungslager gebracht. Laut UNHCR befinden sich aktuell (Stand 5. August 2020) ca. 2.500 Personen in diesen Lagern. Die Situation in den Internierungslagern wird immer wieder als entsetzlich und unmenschlich beschrieben. Medien und Inhaftierte berichten von Misshandlungen, Folter und Vergewaltigungen.

Aber auch die Situation in anderen Flüchtlingslagern ist desolat. In einem von UNHCR betriebenen und durch die EU kofinanziertem Lager in Tripolis war UNHCR im Januar 2020 nicht mehr in der Lage minimale Sicherheitsstandards für die Flüchtlinge zu garantieren.

Im Jahr 2017 gab es einen globalen Aufschrei als CNN in einer Reportage Bilder veröffentlichte, die zeigten wie Migrant_innen in Libyen wie Sklav_innen präsentiert und verkauft wurden. Beim 5. Afrika-EU-Gipfel 2017 wurde daraufhin in einer gemeinsamen Erklärung festgehalten, dass Maßnahmen eingeleitet werden sollen, um freiwillige Rückkehr und andere dauerhafte Lösungen zu fördern. Im Jahr 2020 fand in Berlin die Libyen Konferenz statt.

Notfall-Evakuierungsmechanismus aus Libyen und Resettlement aus Niger:

Der UNHCR Evakuierungsmechanismus (Evacuation Transit Mechanism (ETM)) wurde im November 2017 mit dem Ziel eingerichtet, schutzbedürftige Geflüchtete aus den Internierungslagern in Libyen nach Niger zu evakuieren. Damit sollte den Geflüchteten ermöglicht werden Schutz und Zugriff auf dauerhafte Lösungen wie Resettlement zu erhalten. Zu diesem Zweck unterzeichneten UNHCR und die nigrische Regierung im Dezember 2017 eine Absichtserklärung. In dieser erklärte sich die nigrische Regierung bereit, bis zu 1.800 Personen über den Notfall-Evakuierungsmechanismus aufzunehmen, sofern diese von einem aufnahmebereiten Drittstaat umgesiedelt werden. Die Erklärung wurde im Dezember 2019 um zwei weitere Jahre verlängert. Finanziert wird das Programm zu großen Teilen mit EU-Mitteln.

Personen, die für den Evakuierungsmechanismus aus Libyen nach Niger in Betracht kommen, werden anhand ihrer besonderen Schutzbedürftigkeit von UNHCR ausgewählt. Zu Beginn des Programmes wurden Personen direkt aus den libyschen Internierungslagern oder über sogenannte Gathering and Departure Facilities (GDF), in denen die ersten Formalien für die Ausreise geklärt werden, nach Niger gebracht. Mittlerweile werden insbesondere Personen ausgewählt, die vormals in Internierungslagern gefangen waren und mittlerweile in städtischen Gebieten wohnen.

Sobald die Geflüchteten im Niger ankommen, werden weitere Formalitäten vorgenommen. Die Geflüchteten werden registriert und UNHCR führt die Prüfung des Flüchtlingsstatus durch. Weiterhin werden Interviews geführt, um Dossiers für die Resettlementverfahren zu erstellen. UNHCR und andere Partnerorganisationen stellen Wohnraum, Essen, medizinische Versorgung, Bildungsangebote und psychosoziale Unterstützung zur Verfügung.

Die besonders vulnerablen Flüchtlinge unter den evakuierten Personen, wie z.B. Personen, die medizinische Betreuung benötigen, hochschwangere Frauen und Mütter mit Neugeborenen, bleiben nach der Ankunft in Pensionen in Nigers Hauptstadt Niamey. Weitere evakuierte Flüchtlinge werden seit März 2019 in die „ETM transit facility“ in der Kommune Hamdallaye (ca. 40km von Niamey) gebracht. Die Unterkunft, die für ca. 1.500 Personen ausgelegt ist, befindet sich nach wie vor im Aufbau. In einer Pilotphase wurden dort für drei Monate zwischen Dezember 2019 und März 2020 Ausbildungsprogramme für unbegleitete Minderjährige durchgeführt. Es gibt außerdem einen weiteren Evakuierungsmechanismus über ein Aufnahmezentrum in Rumänien. Deutschland beteiligt sich bislang nur an den Verfahren über Niger.

Insgesamt erklärten sich mit Belgien, Finnland, Frankreich, Deutschland, Italien, Luxemburg, Malta, den Niederladen, Norwegen, Schweden, der Schweiz, der UK und den USA 13 Staaten bereit, Flüchtlinge, die über Niger aus Libyen evakuiert wurden, aufzunehmen. 2.454 Flüchtlinge (Stand 18. März 2020) konnten über das Evakuierungsprogramm bereits umgesiedelt werden.

Resettlement nach Deutschland

Mit der Aufnahmeanordnung vom 6. Juli 2018 entschied das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI), dass bis zu 300 Personen mit syrischer, irakischer, eritreischer oder somalischer Staatsangehörigkeit oder Palästinenser_innen, die von Libyen nach Niger evakuiert wurden, im Rahmen von Resettlement aufgenommen werden.

Deutschland folgt somit den Aufrufen vieler NGOs, ehemals in Libyen inhaftierter Flüchtlinge und UNHCR, Resettlementplätze für die Aufnahme besonders schutzbedürftiger aus Libyen evakuierter Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen.

Auch in den darauf folgenden Resettlement-Aufnahmeanordnungen vom 11. Dezember 2018 und vom 21. Februar 2020 ist die Aufnahme über den UNHCR-Evakuierungsmechanismus aus Lybien vorgesehen.

Laut einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage wurden im Jahr 2018 276 Flüchtlinge aus Libyen nach Niger evakuiert und im Anschluss nach Deutschland umgesiedelt. Im Jahr 2019 waren es 12 Personen.

Quelle: https://rsq.unhcr.org/en/#E3qq

Für das Jahr 2020 rechnete UNHCR ursprünglich damit, dass 5.500 Personen in einen zur Aufnahme bereiten Staat umgesiedelt werden. Inwiefern diese Zahlen realisiert werden können, ist aufgrund der Corona-Pandemie derzeit nicht absehbar.