Die New Yorker Erklärung: Bestandsaufnahme nach einem Jahr
Im September 2016 verabschiedeten die Vereinten Nationen die New Yorker Erklärung für Flüchtlinge und Migranten. In deren Rahmen wurde das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) damit beauftragt, «die Anwendung des Umfassenden Rahmenplans für Flüchtlingshilfemaßnahmen (CRRF, Comprehensive Refugee Response Framework) in konkreten Situationen zu erarbeiten und einzuleiten».
Zu Beginn wurde dieser Rahmenplan optimistisch betrachtet, UNHCR sprach sogar von einem «Meilenstein für die globale Solidarität und den Flüchtlingsschutz». Ein Jahr später wird immer deutlicher, dass es schwierig wird, die in New York vereinbarten Zielsetzungen zu erreichen. Dr. Jeff Crisp, Research Associate beim Refugee Studies Centre der Universität Oxford, nennt u.a. zwei Gründe: zum einen, hat der neue amerikanische Präsident Donald Trump die traditionelle Führungsrolle der USA im internationalen Flüchtlingsschutzsystem schnell abgelehnt; zum anderen, ist die Europäische Union mehrere Abkommen mit autoritären Staaten eingegangen.
Ein Artikel von Crisp untersucht die Herausforderungen für jedes der vier Ziele des CRRF. Unter Zielsetzung Nummer 1, den Druck auf die Aufnahmeländer lindern, steht insbesondere die unverhältnismäßig große Verantwortung derjenigen Länder im Fokus, die gut 85% aller Geflüchteten aufgenommen haben. Durch die hohen Zuwanderungsbewegungen nach Jordanien, Äthiopien, Uganda und in den Libanon haben sich die Lebensumstände in diesen Ländern deutlich verschärft. Ein von Crisp identifizierter Ansatz setzt auf das neue Engagement der Weltbank und deren Idee von Darlehen für Aufnahmeländer. Allerdings bleiben auch in diesem Szenario viele Fragen offen. Nach Angabe des Autors besteht zum Beispiel die Gefahr, dass sich diese Bemühungen nur auf strategisch wichtige Länder mit mittlerem Einkommen beschränken werden und es nicht zu einer Entlastung von instabilen Regionen wie Tschad und Ostsudan kommen wird.
Die Eigenständigkeit von Geflüchteten fördern, so lautet die zweite Zielsetzung des CRRF. In diesem Bereich sind nur sehr begrenzte Fortschritte erzielt worden, trotz jahrzehntelanger Bemühungen. Es gilt dabei, zwei zentrale irreführende Annahmen zu widerlegen: einerseits, dass jeder gut integrierte Geflüchtete einem Staatsbürger seine entsprechende Chance auf Arbeit/Land/etc. stiehlt; andererseits, dass die Geflüchteten, welche sich selber einen Lebensunterhalt verdienen, weniger geneigt wären bei einer sicheren Lage in ihre Heimatstaaten zurückzukehren. Crisp befürchtet, dass die Aufnahmeländer mit den meisten Geflüchteten jedoch keine großen Bestrebungen in eine solche Richtung unternehmen werden, wenn sich die wirtschaftlich starken Regionen nicht auch bereit erklären, einen Teil der Verantwortung zu übernehmen.
Das dritte Ziel lautet, den Zugang zu Umsiedlung und anderen alternativen Wegen auszubauen. Unter solche alternative Instrumente fallen etwa Resettlement, Relocation, Familienzusammenführung, humanitäre Visa und Bildungsstipendien. Während Kanada sein Resettlement-Programm ausgebaut hat, haben die Vereinigten Staaten von Amerika ihre jährliche Umsiedlungsquote drastisch gekürzt (von 110.000 für 2017 zu 45.000 für 2018). Wie wir gesehen haben, bleiben die Zusagen der EU Länder, diese Lücke zu füllen, bisher noch weitgehend aus. In der Europäischen Union wurden 500 Millionen Euro von der Europäischen Kommission für ein EU-Resettlement-Programm bereitgestellt, jedoch haben nur wenige Mitgliedsstaaten bislang konkrete Angaben dazu gemacht wie viele Personen sie aufnehmen werden.
Verbesserte Bedingungen bei einer freiwilligen Rückkehr von Geflüchteten, will der CRRF mit dem vierten Ziel erreichen. Obwohl dieser Ansatz in der internationalen Gemeinschaft breit geschätzt wird, ist es oftmals ein langwieriger und frustrierender Prozess. Dies hängt mit der Situation in vielen Herkunftsländern zusammen, da die politischen, sozialen und ökonomischen Systeme vor Ort durch andauernde Konflikte und Gewalt zerrüttet sind. Einige Staaten leiteten deswegen Repatriierungsprogramme (unterstützte Rücksiedlungen in den Heimatstaat) in die Wege, welche weder freiwillig noch ungefährlich für die Geflüchteten sind. Unter Aufsicht des CRRF sollte dies nach Crisps Ansicht vermieden werden.
Foto: UNHCR/Slaven Vlasic